„Das echte Wiener Wirtshaus“, sagt Herbert Hausmair, „is wie a Glockenhos’n.“ Wie bitte? Eine, die 24 Stunden läut’? Jetzt muss er was erklären, der „wilde Wirt vom Lerchenfeld“, wie er gerne genannt wird. Also das ist so gemeint: „Wie ich jung war, da war die Glockenhose unglaublich modern, dann ist eine Zeit gekommen, in der niemand eine haben wollte, und jetzt sieht man sie wieder öfter.“ Und so sei das eben auch mit den Wirtshäusern und Beisln.Der Gastgeber von „Hausmair’s Gaststätte“ hat auch die 1970er- und 80er-Jahre erlebt, als viele traditionelle Etablissements die ewige Sperrstunde aus mittlerweile, findet er, lese man wieder öfter von sogenannten „Rettungen“ oder Übernahmen, die Schankbudeln, Lamperien und Tische voller Kerben und Ritzen für das 21. Jahrhundert bewahren.Und wenn man es genau nimmt, ist ja auch Herbert Hausmair ein Wirtshausretter. Bis 2005 war „Hausmair’s Gaststätte“ nämlich das legendäre Gasthaus „Wegenstein“. Schon bevor er aus Wels nach Wien kam – „nach Favoriten natürlich, wie alle G’scherten, die in die Großstadt gezogen sind“, sagt er schmunzelnd – wollte er ein Kaffeehaus oder ein Wirtshaus führen. Er lernte vor allem die Beislkultur kennen: das alte „Wickerl“ in der Porzellangasse, den „Koranda“ in der Wollzeile, den „Pfudl“ in der Bäckerstraße. „Da sind die Fiaker gesessen, und das war immer ein Schmähpackerl mit den Lausbuam. „Du mit deine bissigen Roß’! So war die Tonart, ich hab’ das geliebt.“Vier WirtshausregelnAuf das damals noch bestehende „Wegenstein“ hatte er „ein besonderes Aug’ geworfen“. Er nennt es heute noch ein „Seelenwirtshaus“. „Spät am Abend sind die Politiker nach dem Nationalrat hergekommen und haben bis zwei Uhr früh bleiben dürfen.“ Seit 2005 ist Herbert Hausmair hier selbst der Wirt, und er führt seine Gaststätte strikt nach jenen Kriterien, die er für unabdingbar hält.Diese sind:„Es gibt keine Standesdünkel.“„Es gibt auch nach der Sperrstunde noch ein Glasl oder zwei.“„Ein Wirtshaus lebt von Wirt und Wirtin, das Zauberwort ist Präsenz.“„Es gibt keine Elemente der Systemgastronomie. Gekocht wird selbst und immer frisch.“Als hätte er ein Exempel statuieren wollen, kommt der Kellner an den Tisch und sagt: „Chef, ich weiß, die Mittagsküche ist vorbei, aber da ist einer, der will noch ein Schnitzel.“ Hausmair erhebt sich vom Tisch und murmelt freundlich: „A Schnitzl, ka Problem.“Klaus KamolzDas obligate Schnitzerl kommt hier vom Schweinskarree. Dann verschwindet er in der Küche, aus der alsbald artgerechte Geräusche dringen. Ein „aufgeregtes Zischen“ hatte schon Franz Ruhm, Österreichs erster Fernsehkoch und Grandseigneur der Wiener Küche, eingemahnt, wenn man ein Schnitzel in die Pfanne – wohin sonst? – gleiten lässt. In „Hausmair’s Gaststätte“ stammt dieses Schnitzel vom Schweins es gehört zu den Klassikern der Speisekarte – so wie das Reisfleisch, das Gulasch und das Szegediner Krautfleisch. Oder der Braten am Donnerstag, abwechselnd vom Schwein oder in Gestalt von gefüllter Kalbsbrust. Oder die Vielfalt an Innereien, weil „alle wollen Fleisch, aber Fleisch ist ja ein ganzes Tier“.Einmal wollte er mit dem Kabarettisten Bernhard Ludwig, einem hoch motivierten Frequenteur seiner Gaststätte, ein Buch mit Hodenrezepten herausbringen, aber das Projekt hängt noch in der Luft. „Damit kann man wahnsinnig viel machen, zum Beispiel im Zwiebelsaftl rösten, eine Sulz ansetzen oder wie Bries backen.“Hausmairs Wild-KalenderDer letzte Gast am Mittagstisch ist zufrieden und macht sich über die goldgelbe Panier her. Herbert Hausmair dreht den Gasherd ab und kehrt mit leichtem Hinken aus der Küche zurück. Er hat sich neulich am Knöchel ve das ist immer ärgerlich, aber gerade jetzt braucht er das wie einen Stein im Schuh. Es hält ihn nämlich derzeit davon ab, das zu tun, weswegen ein beträchtlicher Teil seiner Kundschaft das Wirtshaus besonders schätzt: auf die Pirsch zu gehen und Wildfleisch zu beschaffen, das erledigt derzeit die befreundete Jägerschaft für ihn. Die Keilernossi„Aber bald kann ich wieder in den Wald. Bei mir gibt’s nämlich das ganze Jahr Wild. Schwein eh immer, auch als Dauerwurst unter dem Namen Keilernossi, ab April Reh und im Herbst Hirsch, Fasan und Hase.“ Letzteren etwa haut er wie sein Schnitzel in die Pfanne, und wenn man Glück hat, steht sogar ein Ragout aus Hasenherzen auf der Karte. Deswegen ist er ja „der wilde Wirt“.Aber auch einer mit sozialer Ader. Vor ein paar Jahren hat er in einem Wiener TV-Sender für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sparsames, aber dennoch frisches Essen zubereitet. Mit einem Budget von 70 Euro gab es eine ganze Woche lang täglich ein dreigängiges Menü. „Zehn Euro pro Tag, das geht, man muss es nur kochen.“ Dann lacht er und sagt: „Heute bräuchte ich wahrscheinlich zwölf Euro, immerhin 20 Prozent Inflation und trotzdem noch günstig.“Haben Sie Vorschläge für den Lokalaugenschein? Schreiben Sie an lokalaugenschein@kurier.at.
Sunday 19 October 2025
kurier.at - 22 hours ago
Bedrohte Hausmannskost: Das ist der wildeste Wirt in Wien

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