Thursday 30 October 2025
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kurier.at - 2 days ago

Handelsstreit: Europa braucht eine Koalition der Sandwich-Länder

Der Handelskrieg zwischen China und den USA eskalierte in diesem Jahr bereits mehrfach, nun scheinen die Wogen vorerst wieder geglättet: Am Donnerstag werden US-Präsident Donald Trump und Chinas Machthaber Xi Jinping am Rande des APEC-Gipfels in Südkorea aufeinandertreffen.Der Handelskonflikt sei „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der südkoreanische Politikwissenschafter Moon Chung-in. In Wien sprach der Asien-Kenner und Experte für chinesisch-amerikanische Beziehungen über die Sicherheitslage in Asien und die Auswirkungen der Rivalität zwischen Peking und Washington.kurier/Martin StachlPolitikwissenschafter Moon Chung-in im Gespräch mit KURIER-Redakteurin Diana Dauer.KURIER: Nord- und Südkorea befinden sich formal im Krieg. Der Putschversuch im Dezember 2024 hat Ihre Heimat in eine tiefe politische Krise gestürzt. Hat er auch die Sicherheitslage verändert?Moon Chung-In: Ja, Südkorea hat seit Dezember letzten Jahres sehr schwierige Zeiten durchgemacht. Zuerst erklärte Präsident Yoon Suk-yeol illegal das Kriegsrecht. Das hat dann eine Krise der Demokratie ausgelöst. Gleichzeitig erreichten die innerkoreanischen Beziehungen einen Tiefpunkt.Als die neue Regierung von Lee Jae-myung im Juni ihr Amt antrat, sah sie sich mit vier veritablen Krisen konfrontiert: Einer Krise der Demokratie, einer Krise des Friedens, einer Krise des Wirtschaftswachstums und einer Krise der Integration. Jetzt versucht er, die Lage zu normalisieren. Aber ich denke, die wichtigste Herausforderung wird sein, wie man mit der militärischen Bedrohung und dem nuklearen Ehrgeiz Nordkoreas umgeht.Und wie? Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat Südkorea 2024 per Verfassung zum feindlichen Staat erklärt. Das ist die große Frage. Die neue südkoreanische Regierung versucht es jetzt einen neuen Weg. Lee Jae-myung sagte: “Wir akzeptieren Nordkorea, wie es ist. Wir werden keine Vereinigung durch Absorption mehr verfolgen und haben keine feindseligen Absichten gegen Nordkorea.” Was diese Regierung will, ist die Spannungen zu reduzieren und eine friedliche Koexistenz zwischen dem Norden und dem Süden. Zur nuklearen Bedrohung hat Lee Jae-myung einen Drei-Stufen-Ansatz vorgeschlagen: Erst einfrieren, dann schrittweise zurückfahren und schließlich mittelfristig bis langfristig die Denuklearisierung. Er spricht also nicht von Denuklearisierung als Vorbedingung für jeglichen Dialog – das ist ein großer Unterschied zur vorherigen Regierung. Bisher haben alle südkoreanischen, japanischen und US-amerikanischen Regierungen gesagt: Erst die Denuklearisierung, dann kann es einen sinnvollen Dialog und Verhandlungen geben. Aber Nordkorea besitzt nun einmal Atomwaffen – wenn man die Denuklearisierung als Vorbedingung festlegt, wie soll Nordkorea dann zu Gesprächen bereit sein? Und das kann mit einem Gegenspieler wie Kim Jong-un erfolgreich sein?(Nordkorea hat auf diesen Vorschlag nicht reagiert, erwartet aber, dass Südkorea seine Verfassung ändert. In der Verfassung ist in Artikel 3 festgelegt, dass das Territorium der Republik Korea die gesamte koreanische Halbinsel und die dazugehörigen Inseln umfasst. Dieser Artikel impliziert, dass Nordkorea eine illegale Einheit ist, die den nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel besetzt. Die Situation jetzt ist heikel und unsicher - auch innenpolitisch. Viele Südkoreaner glauben noch immer an eine Vereinigung. Es wird also schwer für Lee Jae-myung eine Mehrheit in der Bevölkerung für eine Verfassungsänderung zu bekommen. In der nordkoreanischen Atomfrage könnte US-Präsident Donald Trump und Präsident Lee Jae-myung gemeinsame Interesse haben. Beide sind sehr pragmatisch. Sie glauben, dass die Denuklearisierung kein Ausweg ist und dass das Einfrieren und Reduzieren praktischere Schritte zur Lösung des nordkoreanischen Atomproblems sein könnten. ) Die Hoffnung ist: Wenn Trump es schafft, die Beziehung zu Vorsitzendem Kim Jong-un zu verbessern, könnte das auch bedeuten, dass sich die innerkoreanischen Beziehungen verbessern. kurier/Martin StachlStatt näher an die USA rückt Nordkorea und das Kim-Regime in den letzten Jahren aber näher an Russland heran. Zusammen mit seinem langjährigen Partner China formen sie eine Art autokratisches Drei-Gespann. Wurde Nordkorea nun noch gefährlicher?Es gibt die Sorge, dass Peking, Pjöngjang und Moskau ihre Dreieckskooperation stärken. Aber ich sehe bisher keine Anzeichen dafür. Die Position der südkoreanischen Regierung ist klar: Südkorea will keine Blockpolitik, will nicht in den alten Strukturen des Kalten Kriegs gefangen sein, wo Japan, USA und Südkorea die südliche Achse und Peking, Pjöngjang und Moskau die nördliche bildeten.Man kann aber nicht ignorieren, dass Südkorea und die USA enge Verbündete sind. Wie geht Südkorea mit der Unzuverlässigkeit der Trump-Regierung und der möglichen Reduzierung von US-Truppen in Südkorea um?Ja, das ist eine große Sorge – ähnlich wie in Europa. Darum sprechen wir über die Verstärkung unserer Selbstverteidigungsfähigkeit und die Übertragung der operativen Kontrolle im Kriegsfall, die dem amerikanischen Kommandeur in Südkorea gegeben wurde. Wir wollen mehr strategische Kontrolle.Wenn die USA nicht verlässlich sind, ist unsere Sicherheit ernsthaft gefährdet. Wir müssen uns vorbereiten – das ist das Worst-Case-Szenario. Viele Südkoreaner sagen daher: Wenn die USA ihre Truppen abziehen oder reduzieren, müssen sie den Fortbestand des nuklearen Schutzschirms und anderer Überbrückungsfähigkeiten garantieren. Andernfalls sollte Südkorea eigene Atomwaffen entwickeln – was die USA nicht wollen. Ähnlich wie in Europa?Ja, viele in Europa glauben, dass die USA nach Trump zu ihrer alten wohlwollenden Führungsrolle zurückkehren werden. Aber immer mehr Intellektuelle in Ostasien sagen, dass dies möglicherweise nicht der Fall ist. Amerika verändert sich, daher muss sich Europa möglicherweise auf eine Zeit ohne die USA vorbereiten – militärisch und wirtschaftlich.Die USA und China kämpfen einigen Beobachtern zufolge um die Vorherrschaft als Weltmacht. Wer wird diesen Kampf gewinnen? Daran glaube ich nicht. Ich sehe den Wettlauf um die globale Vorherrschaft als eine amerikanische Interpretation und nicht als chinesische Realität. Xi Jinping spricht von globalen Entwicklungs-, Sicherheits-, Zivilisations- und Governance-Initiativen. Ich sehe in seinen vier Initiativen keine hegemonialen Elemente. Die US-Politik basiert auf ihrem eigenen Szenario und nicht auf einer genauen Analyse der chinesischen Absichten und politischen Entscheidungen und Willen. In einer vergleichbar schlechten Situation sind Südkorea und Europa auch im Zollstreit zwischen USA und China, nämlich als Leidtragende. Der Konflikt ist zuletzt eskaliert, nun soll es eine Einigung geben. Am Donnerstag, den 30., gibt es aber Gespräche zwischen Trump und Xi Jinping. Wird es einen Erfolg geben?Die USA haben den Handelskrieg begonnen, China reagierte u. a. mit dem Einsatz seltener Erden und dem Boykott von US-Sojabohnen. Trump wird wahrscheinlich einen Kompromiss suchen – er vermeidet meist den schlimmsten Fall und verfolgt eine „Minimax“-Strategie: Risiko minimieren, Nutzen maximieren. Der Zollstreit ist nur die Spitze des Eisbergs – es gibt auch geopolitische, geoökonomische, technologische und Fragen der globalen Governance. Ein Kompromiss wird die Spannungen etwas abmildern – aber die Probleme werden bleiben. Und damit wird für Europa wieder alles gut? Europa sollte diversifizieren und nicht alles auf die USA setzen - weder wirtschaftlich noch sicherheitspolitisch. Europa sollte China, Indien, Ostasien, Nahost und Südostasien als Partner nutzen. Europa und Südkorea haben bereits ein Handelsabkommen. Braucht es aber noch mehr bilateralen Handel, um die Abhängigkeit zu mildern?Ja, Europa sollte auch die Zusammenarbeit mit Mittelmächten wie Südkorea vertiefen – Südkorea und Europa sind beide „Sandwichländer“ zwischen den USA und China. Es wäre klug, eine „Koalition der eingeklemmten Länder“ zu bilden.


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