Thursday 16 October 2025
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kurier.at - 15 hours ago

Per Los in den Krieg: Deutschland steckt im Wehrpflicht-Dilemma

Das öffentliche Streiten, so hatte Kanzler Friedrich Merz einst versprochen, wolle er seinen Vorgängern überlassen. Nach der Wahl gelobte er, nicht wie die Ampel jeden kleinen Zwist auf offener Bühne auszutragen.Damit hat seine Große Koalition nun gebrochen, und zwar mit lautem Knall. Am Dienstag hätten Union und SPD ihren neuen Wehrpflicht-Plan präsentieren wollen, die Einigung war bereits an die Medien durchgesickert. Dann wurde der Termin kurzerhand abgesagt – Verteidigungsminister Boris Pistorius habe das Gesetz „sturmreif geschossen“, hieß es. Was ist da nur passiert?Versprechen an TrumpDass die Bundeswehr wachsen muss, ist seit Jahren bekannt. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 rätselt jede Regierung, wie sie mehr Freiwillige rekrutieren gefruchtet haben weder Imagekampagnen noch gute Gehaltsaussichten. Der Personalstand stagniert bei etwa 183.000 aktiven Soldaten – auch, weil Jahr für Jahr ein Viertel der Neuangeworbenen die Truppe wieder verlässt.Seit Putins Invasion der Ukraine hat die Aufrüstung der Bundeswehr aber neue Dringlichkeit. Das hat auch Donald Trump den Berliner Regierenden unter die Nase gerieben: Beim NATO-Gipfel im Sommer verlangte er den Bündnismitgliedern Fähigkeitsziele ab, darunter massive Personalsteigerungen. 260.000 aktive Soldaten sollen ab 2032 im Dienste Deutschlands stehen, dazu 200.000 Reservisten. So viel brauche es, um Russland abzuschrecken.Urangst KriegseinsatzWie das erreicht werden kann, entzweit die Politik aber wie kaum eine andere Frage. Schließlich rührt das Ganze an zwei Grundproblemen: Darf man Bürger in Friedenszeiten an die Waffe zwingen? Und darf man jene, die eigentlich nie kämpfen wollten, dann auch an die Front schicken?Für die Union ist die Antwort eindeutig ja. Sie will die Wehrpflicht wiederbeleben, die Bedrohung aus Moskau rechtfertige das, heißt es in der Kanzlerpartei. Die SPD hingegen fremdelt mit jeder Form von Zwang: Dort grassiert die Angst, dass ein Zwangsdienst die Gesellschaft zerreißen könnte – Ältere können dem Wehrdienst viel abgewinnen, doch die unmittelbar betroffenen Jungen lehnen das Modell ab.REUTERS/Thilo SchmuelgenDeutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius.Dänemark als VorbildDazu kommt, dass auch die Fraktion der Friedensbewegten unter den Sozialdemokraten nach wie vor groß ist. Und die hat ein Problem mit jeder Form der Aufrüstung, und damit auch mit dem Mittelweg, auf den sich die Koalitionäre verständigt hatten. Zunächst sollten ab 2026 alle 18-Jährigen, Männer wie Frauen, per Fragebogen Auskunft zu Ausbildung, Gesundheitszustand und der eigenen Bereitschaft zu dienen der geeignete und willige Teil davon wäre gemustert worden. Wären das nicht genügend Rekruten, um das NATO-Ziel zu erreichen, hätte das „dänische Modell“ gegriffen: Das Los hätte dann entschieden, wer zur Truppe muss.Dieser Passus war es, an dem sich die SPD nun intern zerkrachte. Verteidigungsminister Boris Pistorius, in der eigenen Partei als Hardliner bekannt, war die Regelung zu ausgelost würden nämlich nicht die Geeignetsten, sondern möglicherweise gerade die, die gar nicht wollen. Andere in der Partei sahen das von der anderen Seite: Das Los sei kein Instrument für einen Dienst, bei dem es um Leben oder Tod gehen kann.Dazu kommen auch verfassungsrechtliche Bedenken. Laut Grundgesetz darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden, denn ein Ersatzdienst – wie der Zivildienst in Österreich – ist nicht in Planung. Die Linkspartei vergleicht die Regelung darum auch polemisch mit einer „Lotto-Wehrpflicht“, ähnlich den Tributen von Panem, wo „Kinder für die Hungerspiele ausgelost werden“.Ausgang offenWie das Gesetz am Ende aussehen wird, ist damit völlig offen. Das öffentliche Drama darum wird aber am Donnerstag weitergehen: Trotz des Krachs geht das Gesetz in die erste Lesung im Bundestag.Dort wird vielleicht erwähnt werden, dass das dänische Los-Modell nicht ganz zum Vorbild taugt. In Dänemark gibt es diese Regelung bisher nur auf dem Papier – dort finden sich Jahr für Jahr nämlich mehr als genug Freiwillige für den Dienst an der Waffe.


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