Der 17-jährige Flori sitzt in einem Klassenzimmer in einer Berufsschule in der kosovarischen Kleinstadt G vor ihm der aufgeklappte Laptop. Ein Schüler steht mit VR-Brille vor der Klasse, auf dem Smartboard im Hintergrund sieht man, was er hinter der Brille sieht – die Hardware eines Computers, den er virtuell gerade auseinandergebaut hat. Wir haben 12 Stunden in der Woche Informatikunterricht , erklärt Flori in ausgezeichnetem Deutsch. Gelernt hat er das übrigens nicht in der Schule, sondern beim Schauen der Kindersendung SpongeBob – auf Deutsch. Und weil er, so wie fast jeder Kosovare, Familie im Ausland hat.Laptops, VR-Brille, Smartboard – auf zahlreichen Geräten der Schule findet man kleine weiße Aufkleber, auf denen die Logos der EU und der ADA, der österreichischen Agentur für Entwicklungshilfe, zu sehen sind. Sie wurden aus Mitteln des Milliarden schweren IPA-Fonds (Instrument for Pre-accession Assistance) finanziert, der Gelder für Reformen der Länder am Westbalkan zur Heranführung an die EU bereitstellt. Die ADA fungiert als Umsetzerin bei diversen Projekten. Zwischen 2014 und 2020 sind über 600 Millionen Euro aus dem Fonds an den Kosovo gef seit 2019 gingen rund 6,6 Millionen Euro der EU in ausgewählte Projekte zur Verbesserung und Angleichung des kosovarischen Ausbildungssystems an europäische Standards (kurz ALLED). Die ADA finanzierte mit 1,9 Millionen Euro. Doch viele der Projekte liegen derzeit auf Eis, ihre eigentlich geplante Fortführung ist unklar.Sanktionen gegen Kurtis VorgehenDer Stillstand ist eine Folge der Sanktionen, die die EU 2023 gegen den Kosovo verhängt hat. Grund dafür waren Unruhen und das harte Vorgehen der kosovarischen Behörden im serbisch-bewohnten Norden des Landes: Die von Serbien finanzierten Institutionen wie Schulen oder Gesundheitseinrichtungen sind der linksnationalistischen Regierung des derzeit geschäftsführenden Ministerpräsidenten Albin Kurti ein Dorn im Auge, sie lässt die Parallel-Institutionen schließen. Das harsche Vorgehen torpediert nach Ansicht der EU die Gespräche mit dem ehemaligen Kriegsgegner Serbien.Der kosovarischen Denkfabrik GAP zufolge sollen die Sanktionen dem Kosovo mehr als 600 Millionen Euro gekostet haben. Vor allem in den Bereichen Umwelt und Energie fehlte das Geld. Doch auch das Bildungssystem wird durch die Sanktionen zurückgeworfen , sagt die Schuldirektorin Florentina Gjergjaj aus Gjakova. Die Weiterbildung von Lehrkräften, Investitionen in Equipment, mit all dem sind wir gerade in Verzug. Von der Leyen zu BesuchAm Mittwoch könnte sich ein Ende der Sanktionen abzeichnen: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird im Rahmen ihrer Westbalkanreise in der kosovarischen Hauptstadt Pristina Premier Kurti treffen. Wo, ist noch offen, aber die Ortswahl ist entscheidend: Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte ihn im Mai zu einem Abendessen in einem Lokal in Pristina getroffen, und ihm die gemeinsamen Bilder im Regierungsgebäude symbolisch verwehrt.Schon damals hatte Kallas eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen verkündet – allerdings weniger, weil Kurti seinen harten Kurs gegenüber der serbischen Bevölkerung plötzlich geändert hatte. Vielmehr, so hört man, wurden die Sanktionen selbst aus EU-Kreisen für überzogen befunden. Die EU habe ihre härtesten Druckmittel angewandt, ihr Pulver frühzeitig verschossen.Von der Leyens Besuch findet wenige Tage nach den Lokalwahlen statt, bei denen sich Kurtis Partei Vetëvendosje! nur drei von 21 bereits entschiedenen Bürgermeisterämtern sichern konnte. In den vier mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden hat sich wie erwartet die belgradtreue Serbische Liste durchgesetzt. Die Wahlen waren selbst im Norden ohne Ausschreitungen vonstatten ge auch deswegen kann die EU die Sanktionen nicht länger hochhalten.Kurti muss Regierung bildenGleichzeitig dürfte es Bewegung auf nationaler Ebene geben, wo Kurti seit sechs Monaten versucht, eine Regierung zu bilden: Nach monatelangen Querelen um die Konstituierung des neuen Parlaments hat er nun den offiziellen Regierungsauftrag bekommen und muss binnen weniger als zwei Wochen eine parlamentarische Mehrheit hinter sich bilden. Sonst stehen Neuwahlen im Raum.Einen innenpolitischen Stillstand kann sich der Kosovo eigentlich nicht leisten: Serbien und Kosovo streben einen EU-Beitritt an, müssen dafür jedoch ihre Beziehungen zueinander normalisieren. Seit Jahren koordiniert die EU den Dialog, einer der größten Fortschritte war die serbische Anerkennung von kosovarischen Symbolen und Dokumenten. Unterschrieben ist das jedoch nicht, eine Umsetzung noch Wunschvorstellung.Hinweis: Die Reise wurde zum Teil von der ADA finanziert.
Wednesday 15 October 2025
kurier.at - 12 hours ago
Wie die EU-Sanktionen dem Kosovo schaden


Kostet die Galgenaffäre Tschechiens möglichen nächsten Außenminister endgültig das Amt?
- derstandard