Schwarze Rauchsäulen stiegen über den Dächern der Favelas auf. Brennende Busse blockierten Straßen. Schüsse prasselten durch die engen Gassen - teils mehr als 200 pro Minute. Am Dienstag war Rio de Janeiro im Ausnahmezustand: Die brasilianische Küstenmetropole erlebte den tödlichsten Polizeieinsatz ihrer Geschichte.  Die Polizei ging in zwei Armenvierteln im Norden der Stadt - Alemão und Penha - gegen das mächtige Drogenkartell Comando Vermelho, also Rotes Kommando, vor. Rund 300.000 Menschen leben dort.Rund 2.500 Polizisten rückten aus, unterstützt von Hubschraubern, gepanzerten Fahrzeugen und Drohnen. Die Bilanz: 81 mutmaßliche Gangmitglieder wurden festgenommen, mehr als 90 Schnellfeuerwaffen und mehr als 200 Kilogramm Drogen beschlagnahmt. Zunächst sprachen die Behörden von 64 Toten, darunter auch vier Polizisten. Auch Zivilisten waren ins Kreuzfeuer geraten.  Doch am Mittwochmorgen wurde das Ausmaß der Gewalt noch deutlicher:APA/AFP/PABLO PORCIUNCULAAnwohner bargen in den frühen Morgenstunden laut lokalen Medienberichten weitere 50 Leichen. Sie wurden in einem Waldabschnitt gefunden, in dem es am Dienstag zu heftigen Gefechten gekommen war. Die vorläufige Zahl der Toten steigt damit auf über 120. Die Leichen - nur Männer - wurden auf einen Platz gebracht, damit sie von Angehörigen identifiziert werden können.Ältestes Verbrechersyndikat BrasiliensBeim Comando Vermelho handelt es sich um das älteste und zweitgrößte Verbrechersyndikate des südamerikanischen Landes. Gegründet 1979 im Gefängnis Ilha Grande bei Rio, stieg es in den 1980er-Jahren in den Kokainhandel ein. Heute kontrolliert das Kartell Drogenrouten, Gefängnisse und Elendsviertel, in denen der Staat kaum präsent ist.  Größter Rivale ist das Kartell Primeiro Comando da Capital (PCC) aus São Paulo, das seinen Einfluss inzwischen landesweit ausdehnt. Laut einer aktuellen Studie der Universität Cambridge lebt ein Viertel der Brasilianer in Vierteln, die von der organisierten Kriminalität beherrscht werden.  Rio darf  nicht länger Geisel der Gewalt sein Obwohl Gewalt in den Favelas zum Alltag gehört, war die Brutalität dieses Einsatzes am Dienstag außergewöhnlich:  Gangmitglieder antworteten auf das massive Polizeiaufgebot mit heftigen Schusswechsel. Sie entführten Busse und blockierten damit Straßen, auch wichtige Verkehrsschlagadern der Stadt. Über WhatsApp-Gruppen zwangen sie Essenslieferanten, sich an den Blockaden zu beteiligen. Mithilfe von Drohnen warfen sie Sprengsätze auf die Polizisten ab.   Das ist kein gewöhnliches Verbrechen mehr, es ist Drogenterrorismus“, erklärte der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Cláudio Castro.  Das Chaos griff weit über die Elendsviertel hinaus um sich: Der Flughafen Galeão musste zeitweise schließen, Schulen und Universitäten blieben verriegelt. Der öffentliche Nahverkehr brach in großen Teilen zusammen, viele Menschen flohen kilometerweise zu Fuß über Autobahnen, um nach Hause zu gelangen.  Der Anführer des Comando Vermelho, Edgar Alves Andrade, konnte nicht gefasst werden. Auf ihn ist eine Belohnung von 100.000 Reais (rund 18.600 US-Dollar) ausgesetzt. Gegen ihn wird wegen mehr als 100 Morden ermittelt.APA/AFP/PABLO PORCIUNCULA Intelligent geplante Maßnahme   Wir bedauern zutiefst, dass Menschen verletzt wurden, aber dies ist eine notwendige, intelligent geplante Maßnahme, die fortgesetzt wird“, sagte der Sicherheitsminister von Rio de Janeiro, Victor Santos, dem Sender TV Globo. Rios Bürgermeister Eduardo Paes erklärte in einem Social-Media-Video, die Stadt könne und werde  nicht länger Geisel krimineller Gruppen bleiben, die Angst und Schrecken auf den Straßen verbreiten .  Auch Gouverneur Castro, ein Verbündeter des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, kündigte auf einer Pressekonferenz an,  den Kampf gegen das organisierte Verbrechen entschlossen fortzusetzen  und den Einsatz des Militärs beantragen zu wollen. Brasiliens Präsident  Luiz Inácio Lula da Silva wird nach seiner Südostasienreise in Brasília über das weitere Vorgehen beraten.EPA/ANTONIO LACERDAKritik von MenschenrechtsorganisationenDer Polizeieinsatz löste unterdessen heftige Kritik bei Menschenrechtsorganisationen aus. César Muñoz, Direktor von Human Rights Watch (HRW)  in Brasilien, bezeichnete  ihn  als  Desaster“ und  forderte die Staatsanwaltschaft auf, die Umstände  jedes einzelnen Todesfalls“ zu untersuchen. Auch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte  zeigte sich  entsetzt“. Amnesty International schrieb in einer Mitteilung:  Öffentliche Sicherheit wird nicht mit Blut erreicht“.Tatsächlich kommen in kaum einem anderen Land der Welt so viele Menschen bei Polizeieinsätzen ums Leben wie in Brasilien. 2024 töteten Sicherheitskräfte in dem südamerikanischen Land 6.243 Menschen - durchschnittlich 17 Menschen pro Tag. In den USA waren Polizisten im vergangenen Jahr für den Tod von 1.378 Menschen verantwortlich.
				Friday 31 October 2025			
						
		kurier.at - 2 days ago 
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