Die Zukunft gehört nicht den Globalisten. Die Zukunft gehört den Patrioten. Dieser Satz Donald Trumps ist schon einige Jahre alt. Doch erst seit seinem neuerlichen Amtsantritt heuer lässt der US-Präsident die Welt spüren, was er schon 2019, damals vor der UN-Generalversammlung, gemeint hatte: Amerikas Markt muss besser geschützt werden - dafür überzog Trump die Staaten mit Zollmauern von bis zu 50 Prozent. Fünf Wochen lang galt gegenüber China sogar ein Zollhammer von 145 Prozent. Der allgemeine Zollsatz der USA liegt derzeit so hoch wie seit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts nicht mehr. Bisher, so bilanziert die Welthandelsorganisation WTO in ihrem jüngsten Halbjahresbericht, habe Trumps Zoll-Crashkurs den globalen Handel überraschend wenig beeinträchtigt. Das lag aber daran, dass Unternehmen in Erwartung kommender Handelsbarrieren noch schnell ihre Lager gefüllt hätten. Nächstes Jahr jedoch dürfte sich einiges ändern: Statt eines erwarteten Anstiegs des Welthandels von 2,5 Prozent gegenüber 2025 werde dieser laut WTO nur noch um 0,5 Prozent wachsen. Dann werden Trumps Zölle erstmals voll durchschlagen - Tendenziell kommt das einer Stagnation gleich , sagt Martin Braml. Dieser Handelskrieg, den Trump gegen die ganze Welt angefangen hat, wird nun ein stückweit multilateralisiert , führt der deutsche Außenhandelsexperte (Universität Passau) gegenüber dem KURIER aus.Foto: AFPEin Containerschiff im Hafen von QingdaoDas bedeutet: Handelsbarrieren werden als Antwort auf die USA nun nicht nur gegenüber den USA aufgebaut, sondern auch wechselseitig und untereinander. Mexiko möchte sich etwa stärker gegen chinesische Importe schü die EU hat bei Stahl ebenfalls Zölle gegen Peking angekündigt.China reagierte seinerseits mit einem Exportstopp von Seltenen Erden, auch wenn Peking diese Maßnahme wohl erst 2026 einführen wird. Wenig überraschend: Wenn die USA für chinesische Exporteure als Absatzmarkt ausfallen, dann finden deren Waren einen Weg woanders hin. Dort intensiviert sich dann der Wettbewerbsdruck - und dann wird eben mit Zöllen reagiert , sagt Ökonom Braml.Ganz ohne Lichtblicke will der Handelsexperte dennoch nicht ins kommende Jahr sehen: Die EU will Handelsabkommen mit Indien abschließen, ebenso mit Indonesien und Australien, und sie möchte das Mercosur-Abkommen nun endlich über die Ziellinie bringen. Dabei hätte alle noch schlimmer kommen, die Dellen im Welthandel noch viel größer ausfallen können, konstatiert die WTO: Dann nämlich, wenn die ganze Welt auf Trumps Zollmauern mit ähnlich hohen Strafen reagiert und protektionistischen Maßnahmen geantwortet hätte. So aber hielt die geschockte Schweiz still, als ein US-Zollhammer von 39 Prozent auf sie niederdonnerte, während sie selbst alle Industriezölle abgeschafft hatte. Und die EU atmete erleichtert auf, dass sie sich mit nur 15 Prozent Zöllen herumschlagen muss und nicht mit angedrohten 20 oder 30 Prozent.Verzicht auf GegenzölleEin Fehler, wie Martin Braml meint: Hätte die EU härter geantwortet, hätten die USA gespürt, dass auch sie verlieren würden - und das hätte vielleicht helfen können, die Trump-Regierung zum Einlenken zu bewegen. REUTERS/Evelyn HocksteinEnde Juli: US-Präsident Trump und EU-Kommissionschefin von der Leyen einigen sich auf den US-Zollsatz von 15 ProzentSchon 2018 gab es eine ähnliche Situation: Doch damals erhob Brüssel sofort Gegenzölle, den USA wurden einige Zugeständnisse gemacht, aber im Wesentlichen blieben die niedrigen Zölle. Nun aber dürften andere Kriterien in die Gespräche mit Washington mit hereingespielt haben - der Ukraine-Krieg, Europas Sicherheit, die NATO.Europa, das in diesen Belangen nicht auf die USA verzichten kann, musste bei den Zöllen wohl stillhalten, um nicht Trumps Zorn auf sich zu ziehen. Auf diese Weise, meint Ökonom Braml, hat man dem Freihandel auf lange Sicht keinen Gefallen getan. Nach Gutsherrenart Die USA und ihre Zollmauern, China und seine Exportsperren bei Seltenen Erden, Russlands Putin, der Gaslieferungen seit je her auch als politische Waffe benutzte. War es das, mit dem freien Welthandel? Oder könnte sich der Trend wieder umkehren, wenn 2028 der nächste Präsident ins Weiße Haus einzieht?Zumindest verlässlicher könnte die US-Politik dann wieder werden, vermutet Braml. Denn in der Politik-Tradition der USA ist nicht verankert, dass ein Mensch nach Gutsherrenart und über Soziale Medien die gesamte Außenhandelspolitik steuert. Was aber auch nach Trump bleiben werde: Die Amerikaner wollen ihre strategischen Interessen auch über handelspolitische Maßnahmen durchsetzen - insbesondere gegenüber China. Ich würde also davor warnen, anzunehmen, dass die USA wieder zurückkehren zu dem Punkt, wo wir vor Trump waren: Besonders, wenn sich herausstellen sollte, dass die USA von Trumps Handelskriegen profitieren. Dann besteht wenig Hoffnung, dass sich das wieder ändern sollte. Das aber wäre das Ende ist des Freihandels, wie ihn die Welt zumindest die letzten Jahrzehnten erlebt hatte, meint Braml. Zumindest für jenen regelbasierten Freihandel, bei dem für alle die selben Spielregeln gelten. Der wirtschaftliche Austausch werde bleiben, sagt der Experte, man kann Globalisierung nicht komplett zurückdrehen. Aber man wird genauer hinschauen, mit wem man handeln will, was genau man handelt und in welchen sensiblen Bereichen. Andere Regeln werden nötig sein, wie Europa mit Ländern wie China umgeht, in denen keine Wettbewerbsbedingungen vorherrschen. Europa wird sich nicht aus dem Welthandel zurückziehen- es wird nur eben ein anderer Handel sein , sagt Braml. Weniger mit China, mehr mit Indien, mehr und intensiver mit den anderen Demokratien der Welt.Und wo liegt da die Chance Österreichs bzw. der EU? Rund 500.000 Jobs hängen in Österreich von Exporten in Staaten außerhalb der EU ab. Ein stagnierender Welthandel ist sofort auch hierzulande zu spüren. Bramls Rat: Die eigene Standortpolitik wieder in den Vordergrund rücken und wettbewerbsfähiger werden. Und: Was wir in Europa machen könnten, wozu wir niemanden brauchen, ist, den europäischen Binnenmarkt zu vertiefen. Denn wir sind in Europa noch weit weg von einem echten Binnenmarkt. Schätzungen besagen, dass die noch immer existierenden Barrieren im eigenen EU-Binnenmarkt wie Zölle in der Höhe von 30 bis 60 Prozent wirken. Bei einer besseren Vereinheitlichung würden tendenziell kleinere Länder, also Österreich, davon sogar stärker profitieren als Deutschland. Bramls Erwartung angesichts einer Welt, in der der Freihandel schwer zu kämpfen hat: Alles, was uns insgesamt resilienter macht und je mehr Wirtschaftswachstum wir haben, umso attraktiver wird Europa auf dem internationalen Kapitalmarkt. Umso attraktiver werden wir als Handelspartner, um mehr Gewicht haben wir auch in Verhandlungen mit China, mit den USA. Ich glaube also: Wir bräuchten eine echte Binnenmarkt- und Wachstumsagenda für Europa. Buchtipp: Der Freihandel hat fertig. Von Gabriel Felbermayr und Martin Braml. Amalthea-Verlag, 31 Euro
Wednesday 29 October 2025
kurier.at - 11 hours ago
